Zwischen Schnee, Meer und sonnigen Tagen
Ein Jahr zuvor:
Ich wollte schon immer ins Ausland. Für einen Schüleraustausch, für ein Freiwilliges Jahr. Aber am Ende bin ich nie gegangen. Am Ende habe ich mich nie getraut meine Komfortzone zu verlassen, ich habe mich immer wieder von meinen Eltern, die natürlich besorgt sind, wenn ihre Tochter beschließt, allein ins Ausland zu gehen, zurückhalten lassen. Man möchte niemanden verletzten, die Mutter nicht zusätzlich ängstigen und keine Unruhe verursachen. Trotzdem war da immer dieser Wunsch. Der Wunsch die Erfahrung von etwas ganz Neuem zu machen. Anderes Land, neue Menschen, andere Sprache. Und dann habe ich mich einfach beworben. Ohne vorher alles mit meinen Eltern oder Freunden durchzusprechen, die mich womöglich wieder abgehalten hätten. Ich habe mir die Länder angeschaut, die mir mit meinem Studiengang Publizistik an der JGU Mainz zur Verfügung stehen. Schnell war klar: Frankreich und Spanien scheiden aus – ich erfülle ganz einfach nicht die Sprachanforderungen. Italien wäre die perfekte Möglichkeit mein Italienisch endlich aufzupolieren, aber gleichzeitig wäre mal ein anderes Land vielleicht spannender. Meine erste Wahl fiel auf Oslo, Norwegen. Das Land fasziniert mich schon seit langem (vielleicht hat da auch die Serie SKAM einen großen Einfluss drauf) und die Uni bot viele interessante Kurse an. Meine zweite Wahl: Klagenfurt, Österreich. Ja, vielleicht ist hier ein bisschen die Komfortzone wieder durchgekommen. Man spricht schließlich deutsch in Österreich, was die Kurse sicher vereinfacht hätte. Und als dritte Wahl? Gute Frage. Die dritte Wahl habe ich sehr spontan getroffen. Ein kleines Land, am liebsten in Nord- oder Osteuropa, einfach, um mal was ganz anderes zu haben. Lettland klingt doch gut. Ich habe zwar noch nie von der Stadt Liepaja gehört, aber das Argument, dass sie an der Ostsee liegt, war schon ganz schön überzeugend. Ich habe dann spontan also „Liepaja, Lettland“ als meinen dritten Wunschort angegeben. Ohne wirklich die Kurse zu checken, denn man hofft ja irgendwo, dass man in die Erst- oder Zweitwahl reinkommt. Aber wie das im Leben so ist, kommt unverhofft oft. Zack war ich dabei für ein Erasmusaufenthalt in Liepaja.Die Vorbereitungen:
Da ich mich entschieden hatte meinen Erasmusaufenthalt ins Sommersemester zu legen (besseres Wetter und die Hoffnung, dass man weniger Corona-Einschränkungen hat) blieb es für eine
ganze Weile sehr ruhig um mein Erasmus. Hier mal ein Dokument, da mal ein paar besorgte Gespräche mit meinen Eltern. Um dem ganzen „ich bin dann mal weg“ eine Krone aufzusetzen habe ich mich Mitte 2021 entschieden von Mainz nach Hannover zu ziehen, um dort für drei Monate ein Praktikum zu absolvieren. Genau die drei Monate, bevor es nach Lettland gehen sollte. Es hieß also im September 2021: Umzug nach Hannover. Und dann im Februar 2022: Lettland ich komme. Aber bevor es so weit war, mussten dann doch nochmal mehr Vorbereitungen getroffen werden.Die Anreise: Hannover, Donnerstag,
03. Februar 2022.
Ich habe geplant am Samstag mit
der Fähre von Travemünde nach Liepaja zu fahren. Ja – da gibt es eine Fähre.
Ungefähr 26 Stunden dauert die Überfahrt und kostet um die 80 Euro. Was ich
nicht geplant hatte: dass das Wetter verrücktspielt und die Abfahrt der Fähre
sich immer weiter nach hinten verschiebt. Irgendwann war klar, mein Plan am
Sonntag in Lettland zu sein ist nicht mehr einzuhalten. Am Montag sollte aber
schon die Uni losgehen. Im Endeffekt habe ich meine Fähre umgebucht und bin
dann Freitag gefahren. Freitag, dass hieß ein Tag weniger sich zu
verabschieden. Ein Tag weniger, um zu packen. Ein Tag weniger, um praktisch
meine ganze Wohnung in Hannover aufzulösen (oder zumindest mein WG-Zimmer).
Irgendwie hat dann aber alles funktioniert und Tadaa: ich stand am Samstagabend
in Liepaja, Lettland. Irgendwo am Ende der Stadt an einem Hafen, wo ich die
einzige Person weit und breit zu sein schien. Wie komme ich jetzt in meine
Unterkunft? Tja Spoiler: der Bus, den ich eigentlich nehmen wollte, kam schon
mal nicht. Zum Glück kam aber ein anderer, der mich irgendwo im Stadtzentrum
abgesetzt hat und Dank EU-Roaming und Google Maps habe ich meinen Weg in das
Studentenwohnheim gefunden.
Das Studentenwohnheim:
Bei Studentenwohnheim denke ich
an eine Wohnanlage, in der nur Studierende wohnen. Als ich mich in dem Wohnheim
in Liepaja angemeldet habe wurde ich gefragt, ob ich ein Einzel- oder ein
Doppelzimmer möchte. Ein Einzelzimmer bitte. Manchmal braucht man ja auch Raum
für sich allein. Ein Einzelzimmer hatte ich genau eine Nacht lang. Und dann
habe ich fünf Monate mit einer anderen Erasmusstudentin zusammengewohnt. So viel
zum Einzelzimmer. Es stellte sich heraus: Das Studentenwohnheim ist ein Hostel,
bei dem die Uni praktisch eine Etage hat, die sie für Studierende zur Verfügung
stellt. Das heißt, hier begegnet einem eine bunte Mischung an Menschen. Die Nachteile:
Man teilt sich Badezimmer und Küche mit gut dreißig Leuten. Definitiv eine
Erfahrung. Die Vorteile: Wir waren ein Gang voller Erasmusstudierende. Türkei,
Deutschland, Italien, Frankreich und Mexico treffen aufeinander. Und die Miete
ist unschlagbar. Nicht mal 100€ im Monat für das geteilte Zimmer mit
Kühlschrank, Bett und Schreibtisch. Mein neues Zuhause für die kommenden fünf
Monate.
Erste Begegnungen:
Die erste Person, die ich traf,
war ein junger Mann aus Lettland, der zufällig im gleichen Stockwerk wohnte wie
ich. Er war derjenige, der mich mit einem Topf und einem, Teller versorgt – das
wird nämlich nicht vom Hostel gestellt und darf sich jeder erstmal selbst
kaufen. Als nächstes traf ich auf eine Handvoll Studierende aus der Türkei –
und meine zukünftige Mitbewohnerin. Die Vier nahmen mich für die ersten zwei-drei
Tage an die Hand. Das Schöne war: es gab schon eine Instagramgruppe, mit allen
Leuten die so da waren, also hatte ich direkt eine Möglichkeit etwas zu
unternehmen. Girls Night am ersten Sonntag in Liepaja uns viel zu viele Namen,
die ich aber über die nächsten Monate lernen sollte. Zu meiner Überraschung war
ich die einzige Person, die aus Deutschland kam. Vielleicht gab das den Anstoß,
mich als erstes mit dem Mädchen aus Mexico anzufreunden – denn auch sie hatte
niemanden aus ihrem Land hier und auch niemanden, mit dem sie Spanisch sprechen
konnte. Die Grundlagen der ersten Freundschaft waren also gelegt und es sollten
noch viele weitere folgen.
Die Universität:
Liepaja:
Die Stadt hat laut Wikipedia eine
Bevölkerungsanzahl von circa 68.000 Menschen. Zum Vergleich: die Uni Mainz hat
laut Wikipedia ungefähr 40.000 Studierende. Ich präsentiere: Liepaja, die
drittgrößte Stadt in Lettland. Aber trotz der anfänglichen Skepsis habe ich die
Stadt lieben gelernt und es gab viel mehr zu erleben, als man im ersten
Augenblick sehen konnte. Strand, Bars, lange Spaziergänge und ja – es gibt auch
Clubs, in denen man das Klischee eines Studentenlebens ausleben kann. Und nicht
zu vergessen: das Kino, das praktischerweise alle Filme in Originalton (also
meistens Englisch) zeigt. In Liepaja habe ich das erste Mal Schnee am Strand
erlebt und bin um drei Uhr Nachts aufgestanden, um Polarlichter zu sehen
(Spoiler: es gab keine und wir haben zwei Stunden lang am Strang gefroren). Eine
Stadt, die für mich voller kleiner Wunder und Überraschungen gesteckt hat.
Außerdem gut – ein Bus nach Riga,
für ungefähr 9€ und dann ist man innerhalb von vier Stunden in Lettlands Hauptstadt.
Und von hier aus kommt man (fast) überall hin. Helsinki liegt praktisch nur
einen Katzensprung entfernt, Tallin ist um die Ecke und der Flughafen hat sowieso
Flüge nach überall in Europa.
Die Zeit fliegt:
Und dann sind da plötzlich nur
noch zwei Wochen. Nur noch fünf Tage. Noch eine letzte Nacht. Eine
Abschiedsparty. Viele Tränen, viel Lachen. Viel Freude über das was wir
gemeinsam erlebt habe und auch der Blick in die Zukunft, in der wir uns
natürlich alle wiedersehen wollen. Und um die
gemeinsame Zeit noch ein bisschen
zu verlängern.
Drei Wochen nach dem Ende in
Liepaja – ein Wiedersehen in kleiner Runde in Frankreich. Denn Erasmus bietet
nicht nur die Möglichkeit eine andere Uni und ein anderes Land zu entdecken.
Erasmus bietet vor allem die Möglichkeit viele neue Leute aus verschiedenen
Ländern kennen zu lernen. Viele Freunde in der ganzen Welt zu finden. Und viele
Länder, in denen man sich wieder treffen kann.
Fazit:
Wow, das hört sich ja mal echt unfassbar gut an - ins Ausland möchte ich auch unbedingt :)
AntwortenLöschenDas ist ja ein faszinierender Bericht, lieben Dank dafür;)
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