Dienstag, 7. Mai 2024

Pageboy - Elliot Page [Rezension]

"Pageboy" von Elliot Page verspricht eine intime und ehrliche Erzählung über die persönlichen Erfahrungen des Autors, doch leider ist das Buch nicht, was ich mir davon erhofft habe. Eine nicht-lineare Erzählstruktur, zusammen mit enorm vielen Namen und Ereignissen, macht es beim Hören (Ich habe das Hörbuch gehört und nicht das Buch gelesen) eher unübersichtlich und hat es mir erschwert der Handlung zu folgen. Obwohl natürlich - wie es in Biografien üblich ist - viele persönliche Erlebnisse eingebunden wurden, gelingt es mir durch das Buch nicht, eine echte Verbindung zu Elliot Page aufzubauen.

Aber wer ist jetzt überhaupt Elliot Page? Nach der Biografie sollte ich das ja jetzt wissen. Also: Elliot Page ist ein Schauspieler, der durch den Film "Juno" 2007 seinen großen Durchbruch hatte. Der Kanadier spielt in dem Melodrama die 16-Jährige Juno, die schwanger wird und sich dafür entscheidet das Kind zu bekommen und es anschließend zur Adoption freizugeben. Eine Rolle in der sich Page, wie er selber sagt, erstaunlich wohl gefühlt hat, vor allem wenn man betrachtet, wie weit eine Schwangerschaft von seinem Empfinden als Mann entfernt sein müsste. Denn das ist "Pageboy" auch - die Biografie über seine Geschichte von der gefeierten Millenium-Kult-Lesbe zum Transmann. 

Aber wie viel erzählt er in seiner Biografie wirklich und hilft es uns ihn besser kennenzulernen? Ich würde sagen, so "lala". Weil das Buch versucht es, immer wieder, immer heftig mit ungeschönten Einblicken in Elliot Pages Leben. Aber habe ich am Ende das Gefühl wirklich mehr zu wissen? Mehr zu verstehen? Ihn ein bisschen kennengelernt zu haben? Leider muss ich sagen, eher nicht. 

Es ist durchaus schwer Biografien zu bewerten und trotzdem hatte ich das Gefühl nach diesem Buch habe ich so viel zu sagen. Also versuche ich es mit diesem Artikel. Ich hoffe, dass ich nicht aus Unwissenheit Personen verletze und sollten Fehler oder ähnliches im Text auffallen, die inhaltlicher Natur sind oder auf meine Unwissenheit zurückzuführen sind, freue ich mich über einen Hinweis in den Kommentaren.

ACHTUNG! Es geht im Folgenden u.a. um Esstörung, Homophobie und sexuelle Übergriffe.

Die Erzählung folgt Elliot Page in verschiedene Szenen aus seinem Leben, seiner Kindheit, seiner Arbeit in verschiedenen Filmen und seine Gefühls- und Datingwelt. Das Ganze wird in eine nicht-lineare Erzählstruktur verpackt und springt sowohl in der Zeit, wie auch in den Schauplätzen.

Ein zentrales Thema sind immer wieder sexuelle Übergriffe und homophobe Vorfälle, die zwar angesprochen, aber nur teilweise eingeordnet werden und schon gar nicht mit einem Hinweis auf Hilfsmöglichkeiten für andere Betroffene versehen sind. Ähnlich ist es mit dem Thema Therapie, die zwar immer wieder thematisiert wird, aber am Ende bleibt mir eher unklar, welchen Einfluss sie letztendlich auf Page hatte, besonders durch die nicht-lineare Erzählweise, durch die ich immer wieder den Faden verloren habe. 

Obwohl Elliot Page heute als Transmann und Aktivist für Trans-Menschen bekannt ist, wird die Transidentität im Buch eher kurz behandelt. Das innere Coming-Out schiebt Page über die Jahre immer wieder vor sich her - völlig verständlich und auch teilweise nachvollziehbar erzählt - was dazu führt, dass sein Outing erst in seinen 30ern stattfindet. Dieser Teil der Biografie ist zwar nachvollziehbar und der Prozess relativ verständlich, doch der größte Teil des Buches dreht sich um sein Leben als Lesbe, und weniger um seine Erfahrungen als Transperson. Und obwohl es ein Buch eines Transautors ist, ist es in meiner Wahrnehmung sehr binär gedacht, da hilft auch das Gendersternchen, was fleißig verwendet wird in der deutschen Übersetzung, nicht drüber hinweg.

Für mich fallen viele Themen der unsortierten Struktur der Geschichte zum Opfer. Familiendramen werden zwar angesprochen, aber nicht vollständig behandelt oder übersichtlich zu Ende geführt. Die Geschwisterbeziehungen bleiben weitgehend vage und auch die Beziehung zu seiner Mutter ist zwar ein wichtiges Thema, aber schon am Ende des Hörbuches weiß ich nicht mehr, wie die Beziehung heute aussieht. Auch eine Essstörung wird schnell eingeführt und zum Thema gemacht, aber Elliot Page scheint auch diese schnell wegzustecken und in der späteren Erzählung ist keine Rede mehr davon, ohne dass klare Gedanken dazu geäußert werden.

Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir vor allem die zahlreichen Sexszenen und die detaillierten Beschreibungen von Fäkalien. Negative Ereignisse, die Page in seinem Leben ertragen musste, überlagern oft die wenigen glücklichen Momente. Es bleibt unklar, ob sein Leben tatsächlich so negativ war / ist oder ob die Biografie sich vor allem auf die unschönen Seiten konzentriert und dabei schöne Aspekte einfach ausgelassen werden (wenn sie nichts mit Sex zu tun haben).

Enttäuschend fand ich auch das Fehlen von Einblicken in Pages Ehe. Obwohl man darauf gespannt sein könnte, vielleicht auch Emma Porter zu hören, bleibt ihre Perspektive und die Diskussion über das Privileg, als lesbisches Paar zu heiraten, eigentlich komplett der Biografie fern. Keine Einblicke, genauso gut könnte ich Elliot Page und Emma Porter googlen - für gleich viele Informationen, wie ich sie in der Biografie bekomme. 

Das Ende des Buches wirkt wie ein wilder Mix aus Vergangenheit und Gegenwart (Peaches Konzert und Kunstblut-Kotze gegen Mastektomie und Hormontherapie), wodurch viele Themen untergehen. Zwar gibt es auch positive Gedanken und schön formulierte Passagen, doch diese werden oft von anderen Inhalten, in meiner Wahrnehmung vor allem viele Körperflüssigkeiten und Fäkalien - ein Motiv was sich durch das ganze Buch zieht - überdeckt und gehen dadurch unter. Ich habe das Gefühl der Satz "...saß ich auf dem Klo und schiss mir die Seele aus dem Leib" (aus dem Gedächtnis zitiert), wiederholt sich an verschiedenen stellen immer mal wieder und ist auch der Teil, der mir am Ende am besten im Gedächtnis bleibt.

Ich möchte an dieser Stelle eine andere Rezension zitieren: "(...)  but by the end there were so many loose threads, with such comparatively little discussion as to what caused the identity shift and acceptance from 'out' lesbianism to - presumably - heterosexual trans man was quite startling." - das fasst es letztendlich sehr gut zusammen.

Jonathan Perleth als Hörbuchsprecher ist eine passende Wahl, der gerade durch seine eigene Transidentität und die Arbeit als Schauspieler, gut zum Inhalt des Buches passt. Dennoch hilft auch er als Sprecher nicht darüber hinweg, dass das Hörbuch aufgrund der unübersichtlichen nicht-linearen Handlung und der fehlenden Zusammenhänge nicht zum wiederholten Hören einlädt.

Insgesamt bleibt "Pageboy" damit leider komplett hinter meinen Erwartungen zurück. Trotzt einiger starken Passagen war das Buch von Elliot Page damit eine eher enttäuschende Hörerfahrung.

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