oder Was bedeutet „ambivertiert“ für mich?
Ich weiß nicht mehr wie es dazu kam, aber irgendwann habe ich meinen Vater mal gefragt: „Papa, glaubst du ich bin eher introvertiert oder extrovertiert?“ und seine Antwort war: „Du bist auf jeden Fall extrovertiert.“ Aber ehrlich gesagt: nein. Nicht das ich ihm 100% widerspreche, aber ich würde mich heute nie als extrovertiert bezeichnen. Ja ich mag Menschen, ja ich mag es in einer Gruppe Zeit zu verbringen. Aber ich erreiche immer den Punkt an dem es zu viel wird. Und dann brauche ich Zeit für mich, Zeit meine Batterie aufzuladen. Und dieser Umschwung kann sich andeuten - oder er kommt so schnell wie das umlegen eines Lichtschalters. Ich bin ambivertiert.
Tatsächlich ist die Mehrheit der Menschen ambivertiert, aber immer noch teilen wir uns meist in extrovertierte oder introvertierte Menschen ein. Aber natürlich ist das alles ein Spektrum auf dem wir uns bewegen.
Und gerade die letzten Wochen merke ich wie meine Batterie wieder leer wird. Durch meinen aktuellen Erasmus Aufenthalt bin ich praktisch 24/7 von Menschen und Möglichkeiten umgeben. Es gibt keinen Rückzugsort, ich habe kein Zimmer für mich alleine, man trifft immer Menschen in der Küche oder hört Leute um sich herum. Und ich merke wieder wie mir alles zu viel wird und ich eigentlich gerade einfach mal Ruhe bräuchte. Meine soziale Batterie läuft auf Stromsparmodus und meine Gesundheit leidet darunter.
Ich kenne meine Grenze. Und die war erreicht vor ungefähr zwei oder drei Wochen. Und ich habe sie ignoriert. Ich dachte, ich kann meine Batterie auch in Gesellschaft aufladen. Aber ich schaffe es nicht, weil meine introvertierte Seite eingeschaltet ist. Menschen ziehen mir zur Zeit Energie und geben mir keine.
Gerade in den letzten Jahren, seit ich bei meinen Eltern ausgezogen bin, hat sich dieses Bild für mich immer klarer gezeigt. Ambivertiert: Die Wechselwirkung von Introvertiertheit und Extrovertiertheit, die mich sehr gut beschreibt. In welche Richtung ich tendiere hängt von meiner Umgebung, Lebenssituation und meiner Stimmung ab.
Googelt man „ambivertiert“ sagen viele Business Seiten übrigens, wieso ambivertierte Menschen sehr nützlich für ein Team sind. Vielleicht ist es so eine Art „the best of both worlds“ Sache - genauso muss man aber auch bedenken, dass man auch die „negativen“ oder zumindest negativ konnotierten Aspekte vereint.
Ich kann sehr sozial sein, mich viel mit Menschen treffen und austauschen - und dann kann es passieren, dass ich einfach nur dasitze und lächle und viel lieber gerade alleine in meinem Zimmer säße. Ich muss aber gleichzeitig auch nicht im Mittelpunkt stehen - ehrlich gesagt tue ich das meistens nicht gerne - aber ich höre gerne zu. Und wenn ich ähnlich denke/empfinde wie du, dann erzähle ich dir auch gerne von meinen Ansichten. Das sind nur wenige Beispiele, wie sich für mich Ambiversion anfühlt. Natürlich steckt noch viel mehr dahinter. Aber ich habe mich einfach zu lange gefragt, wieso ich diesen „Switch“ habe. Und hier ist meine Erklärung.
Und nachdem ich weiß wieso ich fühle wie ich fühle und eigentlich auch meine Grenzen kenne, muss ich jetzt nur noch lernen rechtzeitig auch diese Grenzen einzuhalten. Denn was bringt mir am Ende das Bewusstsein darüber, wenn ich sie ignoriere?
Research:
https://www.businessinsider.de/strategy/daran-erkennt-ihr-ob-ihr-ambivertiert-seid-2017-6/
https://lebenskarneval.de/ambivertiert/
Ahhh deine Worte treffen es so! Ich kann deine Erfahrungen so gut nachempfinden. Die allermeisten würden auf jeden Fall sagen ich sei extrovertiert und ja, das stimmt, aber eben nicht immer. Es gibt einfach so viele Momente, in denen ich es nicht bin.
AntwortenLöschenIch hoffe, dass dieses Bewusstsein, dass es gerade alles zu viel ist, dir hilft, Strategien zu finden, mit der Situation umzugehen und wieder etwas Energie zu tanken.
Danke dir :) Ja, es ist alles ein Prozess des Lernens und Wachsens und ich bin noch lange nicht am "Ziel", aber das macht das ganze um so spannender.
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